Wie die Zündhölzchen nach Frutigen kamen – Vortrag am 3. Mai
Wer früher Feuer entfachen wollte, war auf eine umständliche Prozedur angewiesen: Mit einem Feuerstein mussten Funken geschlagen werden, um Zunder, gewöhnlich ein getrockneter Baumpilz, zum Glimmen zu bringen. Dann kamen um 1840 Zündhölzchen auf; eine sehr grosse Erleichterung. Das waren damals sogenannte «Phosphorhölzchen», die giftigen gelben Phosphor enthielten. Unsere heutigen Hölzchen wurden erst ab 1900 hergestellt.
Die Zündhölzchen fanden reissenden Absatz und bald gab es auch in Frutigen Pläne für eine Zündhölzchenfabrik. Landseckelmeister Friedrich Schneider, Vieharzt Christian Zurbrügg von Reinisch und Amtsschreiber Gottlieb Bütschi stellten ein Gesuch für eine Fabrik an der Leischen. Absicht der Initianten war es, den vielen Armen in Frutigen einen Verdienst zu geben.
Es gab Widerstände. Man erinnerten sich noch an den Dorfbrand, der 1827 das Dorf einäscherte; viele befürchteten eine neue Brandkatastrophe. Die Fabrik wurde trotzdem bewilligt und 1850 gebaut. Die Armenkommission und der Gemeinderat hatten sich dafür eingesetzt, denn die Verdienstlosigkeit und die Armut waren gross.
Das Know-how zur Herstellung von Zündhölzchen holten sich die Gründer von auswärts. Sie engagierten Johannes Jung, der mit seiner Familie von Unterseen nach Frutigen zog. Auf dem Bödeli waren 1847 zwei Fabriken entstanden, die aber nach wenigen Jahren wieder eingingen. Zweifellos hatte Jung dort gelernt, wie man Zündhölzchen fabriziert.
Der Betrieb in Frutigen war erfolgreich. Nach einem Jahr berichtete der Regierungstatthalter, dass pro Tag um die 10’000 Schächtelchen produziert würden. Er urteilte: «Dieses Unternehmen ist für die Dorfschaft Frutigen eine Wohlthat, da die Fabrik durchschnittlich ca. 100 Arbeiter, meistens Kinder, beschäftigt.» Die Arbeit in dieser Fabrik erforderte keine speziellen Fähigkeiten, weshalb sie auch Kinder ausführen konnten. Diese Kinderarbeit war ein düsteres Kapitel. Im Jahr 1865 verbot der Kanton Bern die Arbeit in Zündhölzchenfabriken für Kinder unter 7 Jahren. Später wurde die Altersgrenze auf 14 Jahre erhöht.
Es gab viele Nachahmer, auch Nachahmerinnen: Die Fabrik auf dem Widi wurde von Susanna Maurer-Zurbrügg gegründet. Bis 1876 gab es in Frutigen und Umgebung bereits 20 Fabriken, an Reinisch, in Kanderbrück, beim Künzisteg, bei der Rybrügg, auf dem Gufer, aber auch in Kandergrund, Kandersteg, Reichenbach und Adelboden. Das Frutigland war zu einem Zentrum der Zündholzindustrie geworden.
Hans Egli
Mehr zur Gründung der Zündhölzchenfabriken in Frutigen ist zu erfahren an einem Vortrag im Zündhölzlimuseum in Kanderbrück am Samstag, 3. Mai 2925, (15 Uhr).
Das erste Fabrikgebäude an der Leischen steht heute noch; hier auf einem Bild von etwa 1920. Zündhölzchen wurden hier aber nur bis 1880 produziert; seit Jahrzehnten ist es eine Bäckerei. Bild: Kulturgutstiftung Frutigland